Goslar/Berlin. Der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber (Berlin) hat sich für eine weiter gehende Kirchwerdung der EKD ausgesprochen. Das gemeinsame öffentliche Zeugnis der evangelischen Kirchen habe faktisch einen kirchlichen Charakter, sagte er am Samstag, 5. Mai, bei einem bundesweiten Treffen mit den Synodenpräsidenten der 23 EKD-Gliedkirchen in Goslar. Gleichzeitig betonte Huber, dieser Prozess bedeute keine Zentralisierung kirchlicher Aufgaben. Er sei vereinbar mit der Aufgabe der EKD, Dienstleister ihrer Gliedkirchen zu sein. Dienen sei geradezu ein Zeichen der Kirche.
Der Ratsvorsitzende unterstrich die Verantwortung der Kirchen für die Fortführung des Reformprozesses und gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass dieser nur gelingen könne, wenn er auch in die Arbeit der Synoden und Gemeinden einfließe. Auch für die pfarramtliche Tätigkeit gebe es Qualitätsmaßstäbe, die in Zukunft stärker zu berücksichtigen seien, so Huber. Er kritisierte eine mangelnde „Kultur des Feedback", die unter anderem dazu führe, dass Mitarbeitende häufig zu wenig Wertschätzung erfahren.
Sowohl die Konzentration auf ihre geistliche Mitte als auch eine deutliche Außenorientierung bezeichnete Huber als zentrale Herausforderungen der Kirche. Dabei müsse bedacht werden, dass die Ortsgemeinden heute nicht mehr dieselbe Rolle spielen könnten wie in der Vergangenheit. Im Gegensatz zu früher lebten die Menschen nicht mehr ausschließlich an einem Ort, sondern in einer differenzierten Gesellschaft. Darauf müssten die Ortsgemeinden angemessen reagieren, so Huber.
Am Tag zuvor hatte der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber bei einem Austausch mit den Synodenpräsidenten den Reformprozess der EKD kritisch kommentiert. Die Rede von kleinen und großen Kirchen sei problematisch, weil viele Unterschiede zwischen diesen weniger von ihrer Größe geprägt seien, als vielmehr von ihrer geographischen Lage in Deutschland, so Weber. Die Grenzen verliefen nicht zwischen Groß und Klein, sondern zwischen Nord und Süd und West und Ost. Das gelte insbesondere für die Kirchensteuereinnahmen und die Mitgliederentwicklung. Die Kirchen im Süden Deutschlands profitierten mehr als die im Norden und Osten von der Wirtschaftskraft der auf ihrem Gebiet liegenden Unternehmen.
Außerdem hatte Weber die Auffassung vertreten, die Ortsgemeinden seien auch weiterhin entscheidend und die Basis des kirchlichen Lebens. Sie sorgten dafür, dass die Kirche in der Gesellschaft präsent bleibe. Mit Blick auf die EKD sagte er, diese sei nicht selber Kirche und das Kirchenamt der EKD keine Oberbehörde, sondern ein Dienstleistungszentrum. Auch die Zahl der Landeskirchen in Deutschland werde nicht von der EKD festgelegt, sondern sei Sache der Landeskirchen selbst.
Die Lage der Volkskirche im Braunschweiger Land bezeichnete der Landesbischof als stabil. Überdies sei die kirchliche Region in einem Aufbruch begriffen. Das belegten zahlreiche neue Initiativen. Gleichwohl gebe es auch Risiken einer kleinen Kirche: Dazu gehörten Selbstabschottung, Selbstgenügsamkeit, der Ausstieg aus dem theologischen Diskurs, oder auch zu hohe Verwaltungskosten. Außerdem könne die persönliche Vertrautheit die für manche Entscheidungen nötige Distanz behindern.