Wenn ein Mensch stirbt..., ist alles anders
Wenn ein Mensch, der mit uns verbunden war, stirbt, ist alles anders. Das Leben gerät aus den Fugen, es muss neu sortiert werden. Was sind Perspektiven für mich? Wie kann ich meinen Alltag bewältigen? Wo brauche ich Hilfe, weil mir alles über den Kopf wächst? Wie kann ich leben mit meiner Trauer, die mich lähmt? Kann ich überhaupt je wieder richtig fröhlich werden? Leben muss sich neu orientieren; es geht weiter. Anders als vorher. Der Philosoph Immanuel Kant hat sich gefragt, wie wir weiterleben können mit dem, was unser Leben von Grund auf erschüttert und verändert. Er schrieb: „Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben, die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen.“
Drei Himmelsdinge: Hoffnung, Schlaf, Lachen. Drei sehr unterschiedliche Gaben, die alle eins gemeinsam haben: Sie lassen sich nicht selber machen, sie entziehen sich unserem Wollen. Wer mit aller Kraft versucht einzuschlafen, der wird überhaupt nicht einschlafen. Gerade in Zeiten, in denen es uns schlecht geht, in denen wir unter Druck stehen oder trauern, plagt uns oft Schlaflosigkeit. Wir sind unruhig, Ängste verfolgen uns bis in den Schlaf, wir haben Alpträume. Und sehnen uns nach Ruhe und Erholung. Wenn man doch nur schlafen könnte. Was für ein Geschenk, wenn man dann einfach hinüber gleitet in einen tiefen, traumlosen erholsamen Schlaf.
Mit dem Lachen ist es genauso: Wer sich zum Lachen zwingt, dessen Lachen klingt künstlich und verkrampft, ein Lachen, das nur aus dem Mund kommt, aber nicht aus den Augen oder aus dem Herzen. Was für ein Geschenk in der Trauer, wenn wir plötzlich lachen können. Vielleicht weil wir uns an eine Situation erinnern, die wir mit dem oder der Verstorbenen erlebt haben, oder wir uns an Aussprüche erinnern, die gemacht wurden, die uns zum Lachen bringen. Ich erinnere manche Trauergespräche, wo es beides gab, die Tränen und Lachen. Wenn ich lachen kann, ist der Bann gebrochen, der nach mir greift, der mich gefangen nehmen und lähmen will. Deshalb ist auch das Lachen eine himmlische Gabe.
Zuletzt die Hoffnung: Auch die Hoffnung wächst nicht aus mir selber. Hoffnung ist eine Kraft, die von außen kommt. Sie ist die Hand, die mir jemand reicht, wenn meine Kräfte erschöpft sind. Solche Hoffnung kann ich mir nicht ausdenken. Sie ist eine Kraft, die viel größer ist als ich selber, eine Kraft, die aus dem Himmel kommt. Von der Hoffnung können wir deshalb nur in Bildern sprechen. Bilder, die unsere Sehnsucht in Worte fassen. Hoffnung, dass das, was wir hier auf der Erde sehen und begreifen können, noch nicht alles ist. Bilder, die ausdrücken, was wir nicht beschreiben können, weil wir es nicht wissen können. Hoffnungsbilder sind Bilder gegen den Tod.
Zitat aus einer Predigt von Pastorin Sabine Beyer, gehalten am Totensonntag 2012 in der Bartholomäuskirche Blankenburg