Braunschweig (epd). Der ehemalige Präsident der Technischen Universität Braunschweig, Bernd Rebe, hat der evangelischen Kirche vorgeworfen, sie verschweige "die dunkle Seite" des Reformators Martin Luther (1483-1546). Bei einer Diskussion mit Theologen am 9. März im Braunschweiger "Haus der Wissenschaft" kritisierte der Jura-Professor vor allem Luthers feindselige Äußerungen gegenüber Juden unter anderem in der Schrift "Von den Juden und ihren Lügen".
Rebe wandte sich gegen Versuche, den Antijudaismus Luthers als zeitbedingt verstehen zu wollen. Dies wäre der erste Schritt, dem Reformator zu verzeihen. Er fügte hinzu: "Luther können wir das nicht nachsehen." Die Theologieprofessoren Gottfried Orth aus Braunschweig und Thomas Kaufmann aus Göttingen schlossen sich der Kritik an Luther an. Sie widersprachen aber dem Vorwurf, die evangelische Kirche setze sich nicht mit Luthers Anfeindungen der Juden auseinander.
Orth sagte, Luther sei in dieser Frage "irregeleitet" gewesen. Die "Heldenverehrung" des Reformators sei lange vorbei. Er sehe keine Verdunkelung, sondern die klare Aufgabenstellung, dafür zu sorgen, dass sich ein so "furchtbares" Gedankengut nicht wiederholt. Kaufmann erläuterte, dass Luther nur in Städten gelebt habe, in denen keine Juden geduldet worden seien. Es sei auch nur die Begegnung mit einem einzigen Juden überliefert. Dennoch sei Luther von "einem obsessiven Judenhass" durchdrungen gewesen.
Der Direktor des Theologischen Zentrums der braunschweigischen Landeskirche, Dieter Rammler, wies darauf hin, dass die evangelischen Kirchen sich seit langem mit ihrem Verhältnis zum Judentum auseinandersetzen. Seine Landeskirche habe durch eine Einfügung in ihre Verfassung klar gestellt, dass es eine Missionierung von Juden nicht geben dürfe. Ihnen dürfe nicht, wie es Luther getan habe, ein Mangel an Glaubenswahrheit unterstellt werden.
Als Beispiel für die neue Haltung der evangelischen Kirchen wies der hannoversche Pastor Wolfgang Raupach-Rudnick auf die von ihm geleitete Arbeitsstelle "Kirche und Judentum" hin. Im übrigen habe 1984 der Lutherische Weltbund die judenfeindlichen Aussagen Luthers eindeutig als "Sünde" bezeichnet.
Hinweis: In der Präambel der Verfassung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig heißt es: „Durch ihren Herrn Jesus Christus weiß sie (die Kirche) sich hineingenommen in die Verheißungsgeschichte Gottes mit seinem auserwählten Volk Israel."