Braunschweig (epd). Selbstkritisch erinnerte sich der Chefarzt des Braunschweiger Marienstiftes, Rainer Prönneke, an seine Ausbildungszeit: "Weil wir das Leiden selber nicht ertragen konnten, wurden die Patienten mit hohen Dosen von Schmerzmitteln betäubt." Der Chefarzt erläuterte an diesem Beispiel, welche Fortschritte die Betreuung Sterbender seit den 60er Jahren bis zur heutigen Palliativmedizin gemacht hat. Trotz moderner Schmerztherapie kann jedoch, wie andere Diskussionsteilnehmer bestätigten, die Dosierung noch immer zum medizinischen Grenzfall werden.
Prönneke ist einer der zehn Autoren des im Lutherischen Verlagshaus erschienenen Buches "Beim Sterben helfen?" Alle zehn saßen am 21. November in der Buchhandlung Graff in Braunschweig vor rund 150 Zuhörern und diskutierten zwei Stunden lang konzentriert über Verbesserungen, Versäumnisse und Verbote bei der ärztlichen Behandlung todkranker Patienten.
In 90 bis 95 Prozent der Fälle ließen sich Patienten in Sterbehospizen und mit den Mitteln der Palliativmedizin adäquat versorgen, sagte Alfred Simon aus Göttingen von der Akademie für Ethik in der Medizin. Simon und auch Klinikpfarrer Rolf Denkers aus Hannover wiesen mehrfach auf mindestens fünf Prozent der Patienten hin, die nicht mehr heilbar seien, deren Körper und Seele zerfielen, die nicht weiterleben wollten.
Ärzte bewegten sich dann ungewollt in einer Grauzone, bestätigte der Braunschweiger Chefarzt im Ruhestand Klaus Gahl, Gemeint war die Grauzone zwischen der verbotenen aktiven und der erlaubten passiven Sterbehilfe. Der Arzt kann Medikamente gegen den Schmerz sehr hoch dosieren. Damit mildert er das Leiden, bewirkt aber auch einen früheren Tod und könnte dadurch in die Nähe aktiver Sterbehilfe gerückt werden.
Gahl war es wichtig, dass nach Möglichkeit Arzt und Patient gemeinsam über die Therapieform entscheiden. Der frühere Generalstaatsanwalt Heinrich Kintzi warnte vor einem Dammbruch und der Gefahr des Missbrauchs, wenn Ärzte über eine Tötung entscheiden dürften. Es sei nicht hinnehmbar, wenn in Deutschland der Lebensschutz des Menschen aufweiche. Die Niederlande mit ihrer nicht so strengen Gesetzgebung sind nach Auffassung des Juristen kein gutes Vorbild. Dort gebe es Patienten, die eine Karte bei sich trügen, auf der stehe: Mach mich nicht tot, Doktor!
Der Herausgeber des Buches, Landesbischof Friedrich Weber, berichtete, dass nach seiner Erfahrung als Seelsorger hinter der Bitte um aktive Sterbehilfe oft der Wunsch stehe, nicht allein zu sterben. Der Landesbischof wies dabei auf die ehrenamtliche Sterbebegleitung durch den Hospizverein und den Bau eines Hospizes in Braunschweig hin. Buchhändler Joachim Wrensch kündigte an, die Einnahmen aus den Eintrittskarten des Abends auf 1.000 Euro aufzustocken und dem Hospizverein zu spenden.
Klinikpfarrer Denkers gab allen zu bedenken, dass sie nicht wüssten, was sie in der Sterbesituation tatsächlich empfinden werden. Das Leben sei voller Brüche, lautete sein Schlusswort, warum soll am Ende alles gelingen? (Text von Manfred Laube)