Braunschweig (epd). Domkantor Gerd-Peter Münden klatscht energisch in die Hände. "Zunächst die Altstimmen. Jetzt die Bässe bitte, mittleres Podest." Mit den blauen Notenheften eilen die Sänger auf ihre Plätze unter der riesigen Orgel im Braunschweiger Dom. Während sich rund um die Kirche die Besucher des Weihnachtsmarktes drängen, probt die Domsingschule das Weihnachtsoratorium. Im Advent hat die größte Einrichtung für evangelische Kirchenmusik in Deutschland Hochkonjunktur.
Allein 23 Chöre mit 550 Kindern und 300 Erwachsenen gehören der Braunschweiger Singschule an. "Und alle Chöre", versichert der Kantor, "kommen jetzt zum Einsatz." Weihnachtsoratorien, Andachten, Quempas-Singen, Gottesdienste - der Veranstaltungsplan des Domes ist prall gefüllt, ebenso wie der gut durchstrukturierte Probenplan für Münden und seine Mitarbeiter.
Doch allein mit Proben lassen sich stimmungsvolle Aufführungen nicht inszenieren. Ton und Beleuchtung müssen passen, Vorankündigungen und Programme gedruckt, Kartenvorverkauf und Einlasskontrolle organisiert werden. Vor dem Gespräch klärt Münden mit einem Mitarbeiter noch schnell die Anzahl der Stühle und Notenständer fürs Orchester, die Art der Mikrofone für Solisten und Chor.
Seit den Herbstferien üben Kinder- und Jugendkantoreien, Kurrenden und Domchor für ihre großen Auftritte, die längst Anziehungspunkt für Besucher aus der ganzen Region sind. "Der Andrang übertrifft alle Erwartungen", freut sich der Domkantor. "Das ist der Dank für unseren Einsatz." Rund 600 Menschen besuchen allein jede der vier Aufführungen des Weihnachtsoratoriums, rund 1.000 Besucher kommen zum unentgeltlichen Weihnachtssingen.
"Oh Tannenbaum" oder "Schneeflöckchen, Weißröckchen" werden sie hier allerdings nicht hören oder singen. "Kitschverbot. Die Domsingschule ist sehr konservativ, weltliche Weihnachtslieder, Pop und Gospel gibt es bei uns nicht", sagt Münden. Stattdessen können sich die Besucher auf eigene Kompositionen des Domkantors oder anderer zeitgenössischer Komponisten freuen. Sie alle müssen einem klassischen Qualitätsanspruch genügen. "Plattheiten gibt es schon genug."
"Friede auf Erden, Friede auf Erden, Friede", schallt es bei der Probe vielstimmig durch den Dom. Kurz darauf schüttelt Münden, im lässigen roten Pulli, den Kopf und unterbricht die Sängerinnen und Sänger: "Die TTs von Gott sind viel zu schwach, ich höre nur himmlisches Durcheinander." Die Wiederholung sitzt, weiter geht?s mit Takt 19.
Unter den Mitgliedern des Chores, die sich auf dem mehrstufigen Podest drängen, finden sich neben Erwachsenen auffällig viele Jugendliche. Viele von ihnen gehören der Domsingschule seit Jahren an. Sie besuchen nicht nur die wöchentlichen Proben, sondern nehmen auch an Freizeiten und Konzertreisen teil, haben hier Freunde gefunden. Die Jugendlichen lernen Noten und bekommen eine klassische Gesangsausbildung.
Und wie motiviert man Jugendliche für klassische Kirchenmusik? "Die Begeisterung von uns drei Kantoren steckt alle an", sagt Münden. So verwundert es sicher nicht, dass der Domkantor nach all dem vorweihnachtlichen Stress unter dem eigenen Tannenbaum vor allem eins hört: "Unsere eigenen CDs, denn die sind einfach gut."