Braunschweig (epd). Landesbischof Friedrich Weber hat das politische Engagement der Kirche gegen Kritik verteidigt. In einer Diskussion über die Zukunft der Kirchen beim sogenannten Auctortag 2010 in Braunschweig sagte er am 12. August: "Es gibt keinen Bereich, der nicht mit Fragen des Glaubens zusammenhängt." Als Beispiele nannte Weber den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, die Flüchtlingsströme und den Klimawandel.
Weber räumte aber ein, dass kirchliche Stellungnahmen sachkundig sein sollten. Sie dürften nicht opportunistisch wirken. Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) hatte zuvor der Kirche vorgeworfen, sie konzentriere sich nicht auf ihre "spezifische Rolle" als Glaubensgemeinschaft, die dem einzelnen Halt gebe.
Der Oberbürgermeister kritisierte wirtschaftspolitische Stellungnahmen, die er auch anderswo lesen könne. Er erwarte von der Kirche keine Äußerung zum Ausbau des Braunschweiger Forschungsflughafens. Dagegen wandte der Landesbischof ein, dass sich die Kirchengemeinde in Waggum der Ängste der Bürger bei der Verlängerung der Start- und Landebahn angenommen habe. Das sei durchaus Thema einer Kirchengemeinde.
Der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Braunschweig, Bernd Meier, sagte in der Diskussion, die Wirtschaft fahre ohne die ethischen Maßstäbe der Kirchen "an die Wand". Nicht alles könne durch Gesetze geregelt werden.
Nach Einschätzung des Programmdirektors "Geistige Orientierung" der Bertelsmann-Stiftung, Martin Rieger, bleiben die christlichen Kirchen ein zentraler kulturpolitischer Akteur in Deutschland. Mit Aufwendungen von 3,5 bis 4,3 Milliarden Euro im Jahr für Kultur lägen die Kirchen gleichauf mit den Kommunen und Ländern, sagte Rieger ebenfalls beim Auctortag in Braunschweig.
In einem Vortrag über die Zukunftsfähigkeit der Kirchen wies der Referent darauf hin, dass die Kirchen mit ihrer kulturellen Breitenarbeit das Ehrenamt und die Jugendarbeit förderten. Das Sozialsystem der Bundesrepublik ist nach den Worten Riegers ebenfalls "durchdrungen von kirchlichen Institutionen". Mehr als 18.000 Kindertagesstätten und Horte seien in kirchlicher Trägerschaft. Caritas und Diakonie betrieben rund 50.000 soziale Einrichtungen. Die Forschungsergebnisse der Bertelsmann-Stiftung legten es nahe, die Religiosität als eine wichtige zivilgesellschaftliche Ressource zu betrachten.
Rieger sagte, die Kirchen nähmen kaum wahr, dass ein beträchtlicher Teil der Zuwanderer Christen seien. Derzeit sei jeder vierte Flüchtling aus einem islamischen Land ein Christ. Aus Zentralasien und der ehemaligen Sowjetunion kämen zu 50 Prozent Christen, aus dem Nahen Osten 17 Prozent. Von den Schwarzafrikanern seien 60 Prozent Christen. Von den gut 25 Millionen Katholiken in Deutschland seien 4 bis 4,5 Millionen Migranten. In der evangelischen Kirche könne von einer halben bis einer Million Zuwanderern ausgegangen werden.