„Millionen Mücken können nicht irren“ titelte im Frühjahr ein Outdoor-Magazin. Dann erklärte mir meine Mutter, wie viele Mückenarten es in Schweden gäbe. Aber all dies konnte mich nicht davon abhalten, mit acht jungen Menschen in eine besondere Freizeit zu starten. Über Hannover, Hamburg, Frederikshavn und Göteborg ging es in die schwedische Grenzregion zwischen Dalsland und Värmland. Südlich von Årjäng – gut 1.000 Kilometer fern der Heimat – lag unser erstes Camp. Schon der Platzwart begrüßte uns mit einer klaren Ansage: „Keine stehenden Bäume beschädigen, sonst ‚Goodbye, M…f…!‘ – Ab 22.00 Uhr ist hier Platzruhe sonst …“ Noch ein paar weitere Ansagen und immer wieder das „Mf-Wort“, das ich hier lieber nicht ausschreibe. Die Teilnehmer blickten ein wenig erstaunt, hatten aber verstanden.
Bereits am zweiten Tag erhielten wir unsere Kanus. Nun konnten Paddeltraining und später das Kentertraining beginnen. Die Lebensmittel wurden in wasserdichten Tonnen verstaut, die Gepäckstücke, soweit erforderlich in wasserdichten Säcken. Und einen Tag später startete unsere sogenannte „Wildnistour“. Neun Tage sollten die Kanus unsere Pferde sein, die Seen unser Trinkwasser liefern, die Lagerplätze immer für eine Nacht unser Zuhause werden. Die Schweden selbst sagten, dass sie nach der ärgerlichen Winterdürre nun den besten Sommer seit sieben Jahren erleben würden. Das merkten wir schon, denn annähernd 20 Stunden Sonne Tag um Tag strapazierten manch wenig vorgebräunte Haut. Auch waren die ersten Tage immer wieder von stetigem Wind und Wellengang geprägt, leider aus der falschen Richtung, so dass das Paddeln in echte Arbeit ausartete. Nur die Hoffnung auf einen chilligen Lagerplatz und ein warmes Abendessen trieben uns manchmal vorwärts.
Die Abläufe waren von Tag zu Tag nahezu gleich: Abends auslosen, wer in der kleinen Naturhütte schlafen dürfte, Trockentoilette checken, Zelte aufbauen, Kocher und Lagerfeuer vorbereiten, Getränke und Essen zubereiten, ein wenig Körperpflege oder Schwimmen oder Angeln oder Schlafen, dann morgens wieder alles zusammenpacken und in die Kanus verladen. Für den Durchschnittsschüler natürlich kein Strand-, sondern deutlicher Aktivurlaub mit immer wieder anderen und neuen Eindrücken und Begegnungen. Unterbrochen wurden die Tage durch Schleusenfahrten, Einkäufe in einem Supermarkt, der bereits im Februar geschlossen wurde, Entdeckung eines 30.000 Quadratmeter großen Einkaufscenters auf der grünen Wiese usw.
Was auffiel: Die besondere Achtsamkeit der Menschen für Menschen in Schweden – gleich ob gegenüber Kindern, Erwachsenen, Alten oder Gehandicapten. Auch konnte manch einer stundenlang hinter einem anderen herfahren – ohne zu drängeln oder zu überholen. Ein gutes Stück Gelassenheit und Liebe zu den kleinen Dingen und zum Leben.
Natürlich hat in einer reinen Jungenfreizeit die Sprache gelitten; und natürlich wurde Ausschau nach schönen Mädels gehalten und gemosert, dass Kanus noch keinen Außenbordmotor haben. Abendliche Abwechslung brachten das selbstgestaltete Fernsehprogramm, eine Spielshow und Naturmonumente.
Zurück im Camp wurden zunächst die Steckdosen am Waschraum umlagert, um alle Handys wieder mit Strom zu versorgen. Es schlossen sich dann noch ein Ausflug nach Åmål am Vänern, eine Draisinentour von Årjäng nach Gustavsfors und zurück (2x 28 km) und eine abendliche Elchsafari mit unserem Platzwart an.
Fazit: Wir trafen nur wenige der kleinen Blutsauger, vielleicht dank des leichten Windes, der immer wieder über die Lagerplätze hauchte. Die Wälder, die riesigen Seen, das Farb- und Lichtspiel ist beeindruckend und prägend ebenso wie die Möglichkeiten und Freiheiten, die sonst in kaum einem europäischen Land geboten werden. Und natürlich freute sich manch einer nach gut zwei Wochen wieder auf das eigene, große Bett und den eigenen PC, schließlich leben wir mit der Generation 2.0. Dankbar bin ich, dass wir vor argen Verletzungen und Schäden behütet blieben und vor allem auch für die treue und unkomplizierte Hilfe von Nick.
weitere Bilder von dieser Freizeit sind in der Fotogalerie des JUZ unter Kanu-Schweden zu finden.