Am 18.9.2012 wurde in der Brüdernkirche zu Braunschweig eine Fotoausstellung mit Fotos von Anatol Kliashchuk im Beisein unseres Landesbischofs, Prof. Dr. Friedrich Weber, sowie des Botschafters der Republik Belarus (Weißrussland), Andrei Giro, eröffnet. Diese Ausstellung ist bis zum 14.10.2012 täglich (außer sonntags) von 15 - 18 Uhr geöffnet. In seinen Bildern zeigt Anatol Kliashchuk menschliche Schicksale, kranke Kinder und hoffnungslose Eltern meist aus der onkologischen Klinik in Minsk. Daneben sind aber auch Aufnahmen von Kindern zu sehen, die vor 26 Jahren dem Tod geweiht schienen, nun aber doch genesen sind. Wie im Titel der Ausstellung bereits angedeutet, sind kaum Worte für das zu finden, was auf den Fotos zum Ausdruck kommt: wir dürfen Tschernobyl nicht in Vergessenheit geraten lassen! Als Kontrast sind darüber hinaus Naturaufnahmen aus Belarus zu sehen, die von der Schönheit dieses Landes zeugen.
In seinem Grußwort hat unser Landesbischof Stellung bezogen, bitte lesen Sie selbst:
"wenn wir heute hier die Ausstellung „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ eröffnen, dann ist das auch ein Versuch, die Erinnerung wachzuhalten, damit nicht in Vergessenheit gerät, was längst noch nicht gut ist.
Bilder sind dafür besser geeignet als jedes andere Medium, denn sie brennen sich ein, verstören, rühren an und werfen Fragen auf. Das wird notwendig sein und es auch noch eine Weile bleiben. Denn nach 26 Jahren gilt es Zeit zu überbücken für diejenigen, die damals noch nicht lebten und ihnen eine Anschauung dessen zu verschaffen, was es bedeutet, einen atomaren Gau zu überleben. Zugleich muss uns stören und unruhig machen, wie wenig in der Zwischenzeit geschehen ist. Tschernobyl hat nicht ausgereicht, um unser Denken zu verändern. Es musste Fukushima dazukommen. Und wie lange mag es dauern, bis auch unser Tun Reaktionen zeigt?
1987 – ein Jahr nach der katastrophalen Reaktorunglück in Tschernobyl schrieb Christa Wolf in ihrem Buch „Störfall, Nachrichten eines Tages“: „Ich hatte begriffen, dass die Taue gerissen sind, die unser Lebensnetz an gewisse Halterungen befestigt haben.“
Begriffen. Haben wir das? Können wir das überhaupt? Wer kann begreifen, dass es kaum noch ein gesundes Kind in der Ukraine gibt, dass Neugeborene sterben, weil ihre Eltern verstrahlt worden sind, dass ein ganzes Land verseucht ist – noch immer, weil ...?
Begreifen müssen wir, dass im April 1986 das optimistische Wachstums- und Fortschrittsdenken endgültig an seine Grenze gekommen ist, dass wir die Dimensionen menschlicher Möglichkeiten und die Konsequenzen unseres Könnens nicht mehr übersehen geschweige denn beherrschen, dass wir dafür verantwortlich sind, dass auch unsere Kinder und Enkel Gottes gute Schöpfung noch ahnen können.
„Während du schliefst, Bruder“ schreibt Christa Wolf „ lerne ich neue Wörter - kontaminieren.“ Kontaminiert war alles und wir hatten Angst - vor Blattspinat und Regen, vor Milch und Pilzen und das Gefühl, in diesem Frühling würden die Blüten explodieren. „Wohin aber ist das Leiden geraten?“ so die ostdeutsche Autorin weiter.
Die Fotografien von Anatol Kliashchuk zeigen, wohin es geraten ist. Der Pressefotograf war nicht nur 1986 vor Ort. Er hat seither immer wieder mit seinen Bildern dokumentiert, wie sich diese Katastrophe in die Lebensgeschichte der Menschen und das Antlitz der Landschaft eingegraben hat. Er hat einzelne Menschen begleitet und ganze Familien und weil sein Atem so lang war, erzählt er nicht nur von dem Unglück, sondern auch von der Hoffnung, die leben hilft. Seine Bilder überbrücken 26 Jahre spielend. An ihnen entlang können wir mühelos durch die Zeit gehen ohne das Thema zu verlieren ohne uns zu gewöhnen. Das aber wirklich zu tun, sich diesen Bildern und allen Fragen, die damit einhergehen, auszusetzen, ist und bleibt unser Auftrag. Ich wünsche dieser Ausstellung deshalb viele Besucher. Mögen sie spüren und hören, was diese Bilder erzählen."
Ergänzend soll ein Zitat aus dem Grußwort des Botschafters der Republik Belarus, Andrei Giro, wirken:
"Es ist eine ganze Generation nach Tschernobyl aufgewachsen, denen wir nicht zu erklären brauchen, was eigentlich diese Katastrophe bedeutet. Es ist aber unsere gemeinsame Aufgabe, dass auch die künftigen Generationen sich darüber im Klaren sind, dass es nicht irgendein Störfall, sondern eine Katastrophe von Weltmaßstab war. Denn insgesamt entspricht die Wahrnehmung der Folgen des SuperGAUs durch die Weltgemeinschaft nicht ganz den realen Dimensionen."
Seit nahezu 20 Jahren gibt es in Blankenburg den Verein "Blankenburg hilft Tschernobyl", der es sich zum Ziel gemacht hat, in jedem Sommer Kinder aus dem Süden von Belarus (einem besonders stark kontaminierten Gebiet) zu einem vierwöchigem Erholungsaufenthalt in den Harz zu holen. Hier ist aktive Hilfe vor Ort möglich - bitte helfen Sie! Neben finanzieller Unterstützung werden für 2013 noch dringend Gasteltern gesucht, damit ein Kinderurlaub überhaupt ermöglicht werden kann. Informationen erhalten Sie über www.blankenburg-hilft-tschernobyl.de und Anfragen werden gern über die e-mail-adresse: blankenburg-hilft-tschernobyl(at)online(~dot~)de beantwortet.
Noch ein Zitat aus der Rede des Botschafters von Belarus:" Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich im Namen der Botschaft der Republik Belarus bei den deutschen Tschernobyl-Vereinen und Initiativen, die sich nach wie vor für die Menschen in meinem Land engagieren, recht herzlich bedanken. Dieses Engagement trägt auch wesentlich dazu bei, den Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, auf ein glückliches Leben nach Tschernobyl zu geben."
Nachrichtendetails
19.09.2012
Kategorie: Gemeinde